Wolfgang Becker:
 
»ARGUS«
 
 
Jede Neuerung im Ordnungssystem, das das Zusammenleben der Menschen regelt, wird erst dann hinterfragt,
wenn sie einen Unfall verursacht. Vor dem Unfall dient sie der Unterhaltung ­ die friedliche Atomkraft damals,
die Video-Überwachung heute.
Achim Mohné lässt sich auf dieses Spiel als Künstler ein. Die Video-Überwachung findet im Museum statt.
Das moderne Museum ist video-überwacht, die Kameras und Monitore begegnen dem Besucher am Eingang.
Diese Bewachung ergänzt die, die Wärter und Besucher leisten, die andere Besucher (Kinder!), aber auch
Museumsmitarbeiter beobachten ­ und zuweilen anzeigen.
Im Museum findet eine vielfältige Kommunikation der Blicke statt, an der sich Menschen und Tiere beteiligen,
die in Bildwerken dargestellt sind. Viele Anekdoten berichten von Blicken aus Kunstwerken, die den arglosen
Besucher verfolgen, oder von einem, der aus einem grossen Gruppenbild herausschaut, weil er sein Autor ist.
Die Überwachung des Besuchers stellt in Zweifel, dass er sich gegenüber den Kunstwerken angemessen benimmt.
Ihm wird Misstrauen entgegen gebracht, der angemessene Umgang mit Kunstwerken kann nicht vorausgesetzt werden.
Sein Verhältnis zu ihnen ist dadurch bestimmt, dass sie ihm als begehrenswerte Schätze vorgestellt werden, die
zu besitzen ihm nicht zugemutet werden kann.
Langsam ordnet der Besucher seine Gefühle: Verehrung und Bewunderung, die er zu leisten bereit ist, Demut vor
dem Misstrauen, das ihm entgegen gebracht wird, Neugier im Blick auf die anderen. Er ist darauf vorbereitet,
im Raum moderner Kunst Gebrauchsgegenständen aus Wohnzimmern, Küchen und Toiletten zu begegnen. Er hat von der
Skulptur von Duchamps gehört, die ein Pissoir war.
Aber die Information, dass die Überwachung im Museum über seine Schauräume hinausgeht und die Museumstoiletten
einbezieht, muss das Gleichgewicht seiner Gefühle zerstören. Nur der Gedanke daran treibt ihm die Schamröte ins
Gesicht und die böse Lust des Voyeurs ins Herz. Er erfährt von dem Gedanken auf dem Überwachungsmonitor, der ihm
zugewendet ist. Aber er wartet vergebens darauf, dass jemand die Toiletten betritt. Einige Schritte weiter sieht er,
dass die Kameras nur 2 Fotos der Museumstoiletten aufnehmen. Während er den Gedanken verarbeitet und seine verwirrten
Gefühle zu ordnen versucht, wird er überwacht und erscheint, sichtbar für die anderen, auf einem weiteren Monitor.
Er kann die Rolle wechseln, das Spiel zwischen Beobachten und Beobachtetsein geht weiter. Jeder Gedanke, der sich mit
einem Gefühl verbündet, erzeugt ein Gerücht, bevor ein neuer aus ihm entsteht. Die Verbreitung des Gerüchtes kann
beschränkt gelenkt werden. Werden nicht nur die Toiletten des städtischen Museums, sondern die aller städtischen Museen, Institutionen, Ämter und die von Kinos, Restaurants, ja die der Universitäten überwacht? Welchen Vergehen in Toiletten
ist man auf der Spur?
Die Arbeit Mohnés führt aus dem Museum heraus und wieder hinein. Sie ist nicht nur ein Kunstwerk, das sich auf ein anderes bezieht. Aber die wenigen Kunstwerke, die sich mit zeitgenössischen Überwachungssystemen auseinandersetzen, gewinnen einen aufklärerischen Wert dort, wo die Funktionalisierung des Individuums und seiner Privatsphäre im öffentlichen Schauspiel
kritiklos hingenommen wird.
 
 
 
 
»ARGUS«
 
 
Any innovation in the system of order that regulates people's lives remains unquestioned until an incident occurs.
Prior to such an incident, a novelty serves as entertainment, i.e., peaceful nuclear energy then, video surveillance now.
As an artist, Achim Mohné goes along with this game. Video surveillance takes place in the museum. The modern museum
is guarded electronically; the cameras and monitors greet the visitors on entering. This type of surveillance supplements
the kind exercised by the museum guards and the visitors themselves, who watch other visitors (children!) and guards ­
and at times report them.
In the museum a varied communication of glances takes place, in which the people and animals who are portrayed in
the pictures take part. Many anecdotes report on eyes in the artworks that follow unsuspecting visitors or on one
person who stares out of a group painting because he is its originator. The fact that the visitors are surveyed p
uts in doubt whether their behavior towards the artworks is a proper one. They are regarded with suspicion; decent
treatment of the artworks cannot be taken for granted. Each viewer's relationship to the works is determined by the
fact that these are introduced to him/her as coveted treasures that s/he cannot be expected to possess.
Gradually the visitors put their emotions in order: awe and admiration they willingly offer, humility in face of
the suspicion directed at them, curiosity as regards the others. They have been coached in a way that, when viewing
modern art, they can expect encounters with everyday objects from living rooms, kitchens and toilets. They know about
Duchamp's sculpture that was, in fact, a urinal. But the information that museum surveillance goes beyond its
exhibition rooms and includes the museum's toilet rooms must destroy their equilibrium. This thought alone brings
a blush to their cheeks and the evil lust of the voyeur to their hearts.
The viewers learn of these thoughts from the surveillance screen that is turned towards each one of them. But they
wait in vain for someone to enter the toilet. A few steps further on they notice that the cameras are primed to t
ake only two photos of the museum lavatories. While they try to manage their thoughts and get their confused feelings
in order, they are being watched and appear, visible to others, on yet another screen. They can change roles; the
game between watching and being watched goes on. Every thought that is linked to an emotion produces a rumor, before
a new thought emerges. The dispersion of the rumor can, in part, be channeled. Is it not only the toilets of the
city museum that are being surveyed, but also those of all the other city museums, institutions, offices, as well a
s cinemas, restaurants, even universities? What offence in the toilets are they on the track of?
Mohné's work takes you out of the museum and into it again. It is not only an artwork that is based on another one.
But the few artworks that tackle the subject of contemporary surveillance systems aspire to a quality of
enlightenment exactly there where the functionalism of the individual and of his private sphere on the public
stage is uncritically tolerated. Wolfgang Becker
 
 
 
 
Martina Behrens:
 
Zu Achim Mohnés Überwachungsarbeiten ­ »The Artist Is Watching You«
»Die Kontrolle der Normalität korrespondiert mit der Normalität der Kontrolle.«
 

So charakterisierte Foucault (1976) die Entwicklung moderner Gesellschaften. Daß der hierarchische Blick
im Jahr 2000 keiner politischen oder ethischen Rechtfertigung mehr bedarf, macht Achim Mohné in allen seinen
Videoinstallationen erlebbar.
Besonders die Arbeiten »For your own safety « zeigen die signifikante Abwesenheit moralischer Entrüstung, zeigen
inwieweit Überwachungsprozesse in die Lebenswelt des Einzelnen integriert sind. Jeden Eingriff in die Privatsphäre
legitimiert das bitteschön korrekte Verfahren. Hätte der Mohnésche Toilettenaufkleber orthographische Unregelmäßigkeiten,
die Empörung wäre groß. So aber ist das Schreckgespenst der 80-iger Jahre, der Gläserne Mensch, im Zeitalter von
Big Brother vor allem eins: Unterhaltungsresource.
Diese affirmative Komponente transportieren die verschiedenen Videoperformances quasi beiläufig. Im Gegensatz
zu weinerlicher Subjektivität, pseudoprovokanter Genitalienschau oder des geklöppelten Zeigefingers auf verlorene
Werte dürfen Mohnés Happenings faszinieren, amüsieren und sogar Spaß machen.
Jede der gebündelten Beobachtungsketten demonstriert dabei das Funktionsprinzip sozialer Systeme, die Rekursivität
ihrer Elemente. Das bedeutet, daß Beobachtungen (Kommunikationen) sich auf Beobachtungen beziehen und wiederum
die Basis anschließender Beobachtungen bilden. Daß dies geschieht und wie, visualisiert der Künstler typischerweise
auf der zweiten Ebene, auf der man sich selbst beim Beobachten beobachten kann. So wird die »soziale Installation«
durch die Elemente, aus denen sie besteht, selbst gesteuert. (Luhmann, 1995)
Die perfektionierten Techniken des Sehens allerdings ­ vom Fernrohr des Nachbarn über die Webcam bis hin
zur versteckten Miniaturkamera ­ führen Machteffekte herbei, die nur in der Inszenierung ad hoc von allen
Anwesenden am eigenen und/oder fremden Körper bemerkt werden. Die Gefahr, daß es dabei mindestens peinlich
werden kann, trägt das moderne Individuum mit Fassung. Was bleibt ihm auch anderes übrig? Es ist alleingelassen
mit der Notwendigkeit, sich als Individuum auch darstellen zu müssen. Daher generiert eine von anderen geteilte,
kollektive Überwachung einen nicht zu unterschätzenden Ich-Nutzen. Wie die subjektive Indentitätskonstruktion
nach dem Motto »videor, ergo sum!« stattfinden kann, zeigen die einzelnen Ausstellungen in unterschiedlichen
Intensitätsgraden.
Konzentriert man sich nun stärker auf die Struktur der sieben Überwachungsaktionen, fällt sofort auf, daß Achim
Mohné auch die herkömmliche Rollenverteilung von Hersteller und Betrachter aufgelöst hat. Die interessierten
Rezipienten sind jetzt nicht mehr nur teilnehmende Beobachter, wie es in der aktuellen Kunstszene gerade Mode
ist, sondern werden zu beobachtenden Teilnehmern, die nicht länger ausserhalb stehen und zugucken, sondern in der
Gesamtheit ihrer kommunikativen Leistungen im Kunstwerk eingeschlossen sind. Gerade die Kölner Arbeit »Your
conversation is beeing monitored « nähert sich beispielhaft Flussers Visionen (1985) von medialer Gegenseitigkeit
und diskursiver Interaktivität an.
So wird das Dilemma der modernen Kunst, keine zuverlässigen Differenzkriterien mehr aufweisen zu können, was
Kunst ist und was eben nicht, durch Achims Mohnés konsequent selbstreferentiellen Ansatz aus dem postmodernen
Sand gewirbelt.
Marcel Duchamps Pissoir hat jetzt eine Spülung bekommen.
 
 
 
Achim Mohné's Surveillance Installations ­ »The Artist Is Watching You«
»The control of normality corresponds to the normality of the control.«

This is the way Foucault in 1976 characterized the development of modern societies. The fact that the hierarchical
gaze in the year 2000 no longer needs either political or ethical justification is what, in all his video
installations, Achim Mohné prompts us to experience upfront.
Especially the works »For your own safety » show the significant absence of moral indignation, show how very
far surveillance processes have been integrated into our everyday world. Each intervention of our private sphere
legitimizes the take-it-or-leave-it correct method. If Mohné's toilette stickers had spelling mistakes, outrage
would be the reaction. But as it is, the bugbear of the Eighties ­ a life under glass ­ is, above all in this Big
Brother age, one thing: an entertainment resource.
These affirmative components drive the different video performances almost as a matter of course. In contrast to
whining subjectivity, a pseudo-provocative show of genitals or a raised finger pointing to a loss of values, Mohné's
happenings should prove fascinating, amusing and even be plain fun.
Each of the bundled chains of observation demonstrate the principle of social systems and how they function, namely,
the recursiveness of their elements. This means that observation (communication) refers back to observations which,
in turn, form the basis of subsequent observation. Thus »social installation« is itself controlled by the very elements
of which it is composed. (Luhmann, 1995)
The perfected techniques of viewing, however ­ from our neighbor's telescope, by way of webcam, up to the hidden
miniature camera ­ lead to an encroachment of power that in its setup is only noticed ad hoc by those present on
one's own person and/or others' persons. The danger that it can at the very least become embarrassing is something
the modern individual accepts with composure. What else can he do? He is left alone with the necessity of also
having to represent himself as an individual. Which is why collective surveillance shared with others generates a not-to-be-underestimated self-interest. Just how the subjective construction of identity can take place according
to the motto »videor, ergo sum!« (I am seen, therefore I am) is shown at individual exhibitions in varying degrees
of intensity.
Concentrating more on the structure of Achim Mohné's seven surveillance actions, what strikes you immediately is
that the artist has also suspended the traditional role allocation of producer and observer. The interested recipients
are now no longer only participating observers, as is the fashion in the current art scene, but have become observing participants who no longer remain outside and look, but are included in the artwork in the sum of their communicative
capability. In particular the work in Cologne entitled »Your conversation is being monitored » exemplarily approaches
Flusser's digital visions (1985) on medial mutuality and discursive interactivity.
Thus the dilemma of modern art ­ that it no longer possesses any differentiating criteria to show what is art and
what certainly is not ­ is being blown out of the postmodern sand by Achim Mohné's resolute and self-referential approach.
Marcel Duchamp's urinal has been outfitted with a flush. Martina Behrens
 
 
 
Sven Drühl:
»Mediale Arte Povera« ­ Sven Drühl im Gespräch mit Achim Mohné
 
 
Sven Drühl: Was interessiert Sie daran, Leute beim Beobachten zu beobachten? Zeigt sich darin Ihrer Meinung
nach etwas Gesellschaftliches?

Achim Mohné: Was für mich daran interessant ist, ist, dass es durch die Installationen eine Art Rollenverschiebung
gibt. Die Betrachter werden vom Beobachter zum Beobachteten. Das, was sie in der Ausstellungssituation sagen,
ist somit nicht länger privat, sondern wird sozusagen öffentlich.
 
S.D.: Haben Sie ein moralisches Anliegen? Wollen Sie damit etwas offenbaren?

A.M.: Es geht darum, als Betrachter etwas am eigenen Leibe zu erfahren, denn dann erfährt man es anders.
Normalerweise spricht man über andere, aber hier wird über den anderen gesprochen, der man als Betrachter selbst ist.
Die Rezipientenmeinung zur Kunst oder zu soziologischen Vorgängen, initiiert durch die Ausstellung, wird damit
zum Betrachtungspunkt für Dritte. Das ist das soziologische Moment. Luhmann formulierte, dass die Gesellschaft
sich immer mehr zu einer der Beobachtung der Beobachtung entwickelt. Die Massenmedien sind demnach die Beobachtung
der ersten Ordnung und der Umgang damit ist die Beobachtung zweiter Ordnung. Diese weitere Ebene beinhaltet die
Frage: »Wie werde ich beobachtet im Umgang mit den Massenmedien?«
 
S.D.: Aber Ihre Arbeiten werden doch in einem speziellen Kontext präsentiert, nicht in den Massenmedien. Das beeinflußt
die Reaktionen, denn es ist doch ein Unterschied, ob ich in einer Ausstellung stehe oder zu Hause fernsehe, d.h. eigentlich
geht es hier um eine sehr artifizielle Situation, die beobachtet wird.

A.M.: Das ist ein wichtiger Aspekt, denn es gibt in jeder Installation zwei Momente: Der Erste ist der, bei dem der
Besucher noch nicht weiß, dass er beobachtet wird, da reagieren die Leute noch relativ normal. Dann entdecken sie,
dass sie beobachtet werden und fast jeder geht bewußt nochmal ins Gesichtsfeld der Kamera und spielt dann seine Rolle.
Das heißt, die Besucher meinen, sich nun exhibitionieren und positionieren zu müssen. Es wird dann
so eine Art Individualisierung betrieben, und wenn man nur »Bäh« sagt, einen schlauen Kommentar abgibt oder
»Du Arschloch« ruft. Da gibt es deutlich ablesbare Veränderungen im Verhalten.
 
S.D.: Lassen Sie uns noch auf einen ganz anderen Punkt zu sprechen kommen. Wieso kommt es zu dieser Bearbeitung des Grundmaterials? Was bei anderen Künstlern das Rüstzeug ist, um loszulegen und Inhalte zu verhandeln, ist bei Ihnen
gleichzeitig der Inhalt der künstlerischen Arbeit. Woher kommt dieses Mißtrauen anderen künstlerischen Themen gegenüber?

A.M.: Das liegt nicht direkt daran, dass ich den unbedingten Wunsch habe, die Kunst zu verlassen, sondern daran, dass andere Themen einfach interessanter sind. Manches habe ich als Material noch nicht richtig verstanden, be­griffen, es erscheint mir weiterhin befragenswert, deshalb gehe ich vermeintlich zurück und thematisiere beispielsweise das Videoband, die Schallplatte. Dinge also, die eigentlich schon vom technischen Fortschritt in Form von CDs und DVDs überrannt wurden. Im Grunde ist das wohl eine Generationenfrage. Als ich Kind war, um es mal überspitzt zu sagen, wurde hauptsächlich noch in Ton geformt und mit Kohle gezeichnet. Die Körperlichkeit erfuhr darin eine andere Dimension. Am Haptischen, am Körperlichen hänge ich sehr. Zum Beispiel für die Installation in Washington benutzte ich diese selbstgebastelte Apparatur, einen Minimonitor, der aussah wie ein unbekanntes Insekt. Da steht etwas zwischen mir und dem elektronischen Bild.
S.D.: Es gibt eben doch wieder ein Artefakt, das nicht nur in Binärform codiert vorliegt?

A.M.: Wenn man immer vom Verschwinden des Interface etc. spricht, dann ist das hier mein Versuch, wieder etwas zu dimensionalisieren, zu materialisieren. Die Objekte sind eben etwas Besonderes, z.B. mit diesem kleinen Bild in
Washington konnte ich den Voyeurismus sehr gut locken.

S.D.: Geht es dabei um Bloßstellung des Voyeurs?

A.M.: Nein, ich möchte nur, dass die Leute etwas für die Aneignung tun, ein wenig mehr als normal, so dass sie nicht sagen können, sie hätten da nur zufällig hingeguckt. Deshalb ist das Gezeigte dann so klein, man muss sich z.B. seine Lesebrille anziehen oder einen Kopfhörer aufsetzen. Man ist affiziert. Und damit hat man im Grunde auch schon ein Statement abgegeben.
S.D.: Wie sehen Sie überhaupt die Zukunft der Medienkunst? Meinen Sie, dass diese weiterhin nur Expertenkultur und Festivalbeitrag bleiben wird oder sehen Sie Überschneidungen mit dem tradierten Kunstkontext. Schließlich sah man auf der
Art Cologne 2000 so wenig Medienkunst wie selten. Dass die Arbeiten wie in Ihrem Fall in Kunstinstitutionen und Galerien
gezeigt werden, ist doch wohl eher die Ausnahme.

A.M.: Vielleicht liegt es in meinem speziellen Fall daran, dass ich »mediale Arte Povera« mache, die ökonomisch im
traditionellen Kunstkontext funktioniert, weil das Material nicht so kostspielig ist. Mit den Neuen Medien ist es ja
auch schwierig, die Geräte sind oft sehr teuer, so dass die Institutionen und Galerien sich die Anschaffung und
Unterhaltung nicht leisten können. Andererseits sind die meisten meiner Arbeiten aber auch sehr ephemer, immateriell
und lassen sich nicht verkaufen, oft gibt es ja gar keine veräußerbaren Werke. Es reizt mich derzeit immer mehr, Werke zu schaffen, die permanent unterhalten werden müssen. Z.B. »Hase und Igel« braucht alle zwei Stunden eine neue Kassette, damit
die Arbeit weiterläuft, auch bei den Filminstallationen muß ständig jemand dabeisein. Eigentlich werden die Maschinen immer
selbständiger, aber ich produziere Gegenstücke, Installationen, denen sich jemand mit seiner ganzen Aufmerksamkeit widmen
muss, um sie am Laufen zu halten. Darin liegt ein Performance-Moment, besonders bei »Mediarecyling« und »Kellerloch«.
Die Maschine muss wie ein Kränkelnder die ganze Zeit gepflegt und gestreichelt werden, sonst bricht sie zusammen.
 
S.D.: Um auf die Art Cologne und die Medienpräsenz zurückzukommen. Vielleicht bedarf es eines Umdenkens auf der Seite
der Sammler. Werden mehr Video- und Computerarbeiten gesammelt, dreht sich auch der Markt. Doch zurück zur aktuellen
Ausstellung. Betrachtet man den Katalog, dann fällt auf, dass er sehr kleinteilig aufgebaut ist. Kommt darin eine
bestimmte Haltung, ein Konzept zum Tragen?

A.M.: Das Konzept mit der Lupe, so nenne ich das mal, bedeutet, dass man sich das erarbeiten muss. Um im Katalog
jemanden auszuspionieren und zu belauschen, muss man sich bemühen, bis einem die Augen wehtun. Es geht um die Idee,
ein technisches Hilfsmittel zu benutzen, um andere zu überwachen. Der Katalog heißt Panopticon, übernommen von dem
Panopticon, das Foucault in »Überwachen und Strafen« beschreibt. Das meint die architektonische Lösung, alle Insassen
eines Gefängnisses gleichzeitig zu überwachen. Ein Beobachterstandpunkt reicht dann zur Disziplinierung aus. Derjenige,
der solchermaßen unter Beobachtung steht und darum weiß, handelt schon entsprechend. Technisch gesehen begann die
Erweiterung des Sehens mit Erfindung der Lupe, des Lesesteins, dies war der Anfang dessen, was heute die
Videoüberwachung ist.
S.D.: Von da an war es auch möglich, in reichhaltig ausgeschmückten Büchern, kleine subversive Anspielungen
einzuarbeiten, die dann wiederum nur von den Eingeweihten, d.h. den technisch Versierten gelesen und entschlüssel
werden konnten.
A.M.: Ein schöner Gedanke und eine Parallele zur Überwachung: Auch dort sind die Eingeweiten die Wissenden.
 
Sven Drühl
 
 
 
»Medial arte povera« ­ Sven Drühl in conversation with Achim Mohné
 
 
Sven Drühl: What is interesting to you about watching people watching? Is it because, in your opinion,
it turns out to be something social?

Achim Mohné: What is interesting to me is that the installations cause a kind of shift in roles. The watchers turn from
watcher to watched. What he says in the exhibition situation is thus no longer private, but becomes, so to speak, public.
 
S.D.: Do you have a moral purpose? Is there something you want to prove?

A.M.: It's a matter of getting viewers to experience something for themselves. Normally one talks about others; but here
the other person who is talked about is you yourself as viewer. The recipient's opinion on art or on social processes,
initiated by the exhibition, thus becomes a point of observation for third persons. This is the sociological factor.
Luhmann once formulated the fact that society is increasingly developing into the observation of observation. According
to this, the mass media are observation of the first order and the way they are dealt with is observation of the second
order. This next level is contained in the question: in what way am I observed when I deal with the mass media?
 
S.D.: But your works are presented in a very special context, not in a mass medium. This impacts on our reactions,
for there is a difference if I am standing in an exhibition or watching TV at home, i.e., what is really the issue
here is a very artificial situation that is under surveillance.

A.M.: And that is an important aspect, for there are two factors in every installation. The first is the one whereby
the visitors don't yet know that they are being observed; here people still react relatively normally. Then they
discover they are being observed and almost every one consciously re-enters the range of the camera and plays a role.
Which means, the visitors think they have to put on a show and pose. They then exercise a kind of individualization,
if only to say »phooey«, make a clever comment or cry »asshole«. There are clear, discernible changes in behavior.
 
S.D.: Let's go on to a quite different subject. How did it happen that you came to work on the basic material you use?
What for other artists belongs to the equipment they need to get cracking and deal with certain themes, for you is
simultaneously your subject matter. Where does your mistrust of other themes come from?

A.M.: This isn't a direct result of the fact that I quite definitely want to leave art, but that other themes are
simply more interesting. Some things I have myself not quite understood, not quite got a hold on. They seem to me
still worth questioning; which is why I presumably go back and thematize, for instance, the video tape, the record.
Things that have already been overrun by technical progress in the form of CDs and DVDs. It is probably, at heart,
a question of one's generation. When I was a child, to overstate it somewhat, work was formed mostly in clay or
drawn in charcoal. The feel for your body went through a quite different dimension. I very much like the haptic,
the corporeal. For example, for the installation in Washington I used this apparatus that I put together by hand,
a mini-monitor that looked like an unknown insect. Something stands there between me and the electronic image.
 
S.D.: Then there is really an artefact that is not only available in binary code?

A.M.: Since there is always talk of making the interface disappear, etc., this then is my attempt to take something
and dimensionalize it again, to materialize it. The objects are something very special, e.g., with this small
picture in Washington I was quite able to stir up voyeurism.

S.D.: Is it a matter of exposing the voyeur?

A.M.: No, I only want people to do something about appropriating what they see, a little more than usual, so
that they can't say they had only looked by chance. Which is why the thing shown is so small, and you have to,
for instance, put on your glasses or a headset. You are affected. And therefore you have basically already made
a statement.
 
S.D.: How do you view the future of media art? Do you think it will continue to remain a culture for experts
and for festival contributions or do you see an overlap with traditional art contexts? After all, there has
seldom been so little media art as at Art Cologne 2000. It is surely an exception that such works, as in your case,
are shown in art institutions and galleries.

A.M.: Perhaps the reason is that in my special case I make »medial arte povera« that functions economically well
within the traditional art context because the material is not so expensive. It is namely difficult with the new media;
the hardware is often very expensive so that the institutions and galleries can't afford to buy and maintain it.
On the other hand, most of my works are more the ephemeral and immaterial kind and can't be sold; there are often
no works that are purchasable. For the moment it appeals to me more and more to create works that have to be
permanently maintained. E.g., »Hase und Igel«/Hare and Hedgehog needs a new cassette every two hours so that the
work can continue; also with the film installations someone always needs to be on hand. Machines, in fact, are
getting increasingly independent, but I produce counter-works, installations that someone has to devote his full
attention to, to keep them running. Herein lies a performance factor, especially in »Mediarecycling« and
»Kellerloch«/Cellar Hole. The machine has to be cared for and coddled the whole time like an invalid, otherwise
it breaks down.

S.D.: To get back to Art Cologne and the presence of the media. Perhaps the collector has to do some rethinking.
If more video and computer works were collected, the market would have a better turnover. But back to the present
exhibition. If you look at the catalogue, you notice how mosaic-like it is built up. Is there a certain position
or a concept behind this?

A.M.: It's a concept with a magnifying glass, as I call it; it means that you have to work it out yourself. To spy
someone out, to listen in on someone in the catalogue, you have to make an effort until your eyes hurt. It's all
about the idea of using technical backing to watch others. The catalogue is called Panopticon, which is derived
from the panoptcon that Foucault describes in »Surveiller et punir«/«Discipline and Punish«. Which is the architectural
solution that allows all inmates of a prison to be watched simultaneously. One observation post is enough to enforce
discipline. The person who is subjected to such observation ­ and knows it ­ acts accordingly. From a technical
standpoint the enlargement of our vision began with the invention of the magnifying glass, the reading stone; this
was the beginning of what today is video surveillance.
 
S.D.: From then on it was also possible ­ in richly decorated books ­ to work in little subversive allusions that were,
in turn, only capable of being read and decoded by those in the know, i.e., those technically versed.

A.M.: A lovely thought and a parallel to surveillance: there too it is those who are well-versed who are in the know.
 
Sven Drühl
 
Translated from the German by Jeanne Haunschild, Bonn
 
 
 
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