-
-
-
- Wolfgang Becker:
-
- »ARGUS«
-
-
- Jede Neuerung im Ordnungssystem, das das Zusammenleben
der Menschen regelt, wird erst dann hinterfragt,
wenn sie einen Unfall verursacht. Vor dem Unfall dient sie der
Unterhaltung die friedliche Atomkraft damals,
die Video-Überwachung heute.
- Achim Mohné lässt sich auf dieses Spiel als
Künstler ein. Die Video-Überwachung findet im Museum
statt.
Das moderne Museum ist video-überwacht, die Kameras und
Monitore begegnen dem Besucher am Eingang.
Diese Bewachung ergänzt die, die Wärter und Besucher
leisten, die andere Besucher (Kinder!), aber auch
- Museumsmitarbeiter beobachten und zuweilen anzeigen.
- Im Museum findet eine vielfältige Kommunikation
der Blicke statt, an der sich Menschen und Tiere beteiligen,
die in Bildwerken dargestellt sind. Viele Anekdoten berichten
von Blicken aus Kunstwerken, die den arglosen
Besucher verfolgen, oder von einem, der aus einem grossen Gruppenbild
herausschaut, weil er sein Autor ist.
Die Überwachung des Besuchers stellt in Zweifel, dass er
sich gegenüber den Kunstwerken angemessen benimmt.
- Ihm wird Misstrauen entgegen gebracht, der angemessene
Umgang mit Kunstwerken kann nicht vorausgesetzt werden.
- Sein Verhältnis zu ihnen ist dadurch bestimmt, dass
sie ihm als begehrenswerte Schätze vorgestellt werden, die
- zu besitzen ihm nicht zugemutet werden kann.
- Langsam ordnet der Besucher seine Gefühle: Verehrung
und Bewunderung, die er zu leisten bereit ist, Demut vor
- dem Misstrauen, das ihm entgegen gebracht wird, Neugier
im Blick auf die anderen. Er ist darauf vorbereitet,
im Raum moderner Kunst Gebrauchsgegenständen aus Wohnzimmern,
Küchen und Toiletten zu begegnen. Er hat von der
- Skulptur von Duchamps gehört, die ein Pissoir war.
- Aber die Information, dass die Überwachung im Museum
über seine Schauräume hinausgeht und die Museumstoiletten
- einbezieht, muss das Gleichgewicht seiner Gefühle
zerstören. Nur der Gedanke daran treibt ihm die Schamröte
ins
- Gesicht und die böse Lust des Voyeurs ins Herz.
Er erfährt von dem Gedanken auf dem Überwachungsmonitor,
der ihm
- zugewendet ist. Aber er wartet vergebens darauf, dass
jemand die Toiletten betritt. Einige Schritte weiter sieht er,
- dass die Kameras nur 2 Fotos der Museumstoiletten aufnehmen.
Während er den Gedanken verarbeitet und seine verwirrten
- Gefühle zu ordnen versucht, wird er überwacht
und erscheint, sichtbar für die anderen, auf einem weiteren
Monitor.
- Er kann die Rolle wechseln, das Spiel zwischen Beobachten
und Beobachtetsein geht weiter. Jeder Gedanke, der sich mit
- einem Gefühl verbündet, erzeugt ein Gerücht,
bevor ein neuer aus ihm entsteht. Die Verbreitung des Gerüchtes
kann
- beschränkt gelenkt werden. Werden nicht nur die
Toiletten des städtischen Museums, sondern die aller städtischen
Museen, Institutionen, Ämter und die von Kinos, Restaurants,
ja die der Universitäten überwacht? Welchen Vergehen
in Toiletten
- ist man auf der Spur?
- Die Arbeit Mohnés führt aus dem Museum heraus
und wieder hinein. Sie ist nicht nur ein Kunstwerk, das sich
auf ein anderes bezieht. Aber die wenigen Kunstwerke, die sich
mit zeitgenössischen Überwachungssystemen auseinandersetzen,
gewinnen einen aufklärerischen Wert dort, wo die Funktionalisierung
des Individuums und seiner Privatsphäre im öffentlichen
Schauspiel
- kritiklos hingenommen wird.
-
-
-
-
- »ARGUS«
-
-
- Any innovation in the system of
order that regulates people's lives remains unquestioned until
an incident occurs.
- Prior to such an incident, a novelty
serves as entertainment, i.e., peaceful nuclear energy then,
video surveillance now.
- As an artist, Achim Mohné
goes along with this game. Video surveillance takes place in
the museum. The modern museum
- is guarded electronically; the
cameras and monitors greet the visitors on entering. This type
of surveillance supplements
- the kind exercised by the museum
guards and the visitors themselves, who watch other visitors
(children!) and guards
- and at times report them.
- In the museum a varied communication
of glances takes place, in which the people and animals who are
portrayed in
- the pictures take part. Many anecdotes
report on eyes in the artworks that follow unsuspecting visitors
or on one
- person who stares out of a group
painting because he is its originator. The fact that the visitors
are surveyed p
- uts in doubt whether their behavior
towards the artworks is a proper one. They are regarded with
suspicion; decent
- treatment of the artworks cannot
be taken for granted. Each viewer's relationship to the works
is determined by the
- fact that these are introduced
to him/her as coveted treasures that s/he cannot be expected
to possess.
- Gradually the visitors put their
emotions in order: awe and admiration they willingly offer, humility
in face of
- the suspicion directed at them,
curiosity as regards the others. They have been coached in a
way that, when viewing
- modern art, they can expect encounters
with everyday objects from living rooms, kitchens and toilets.
They know about
- Duchamp's sculpture that was, in
fact, a urinal. But the information that museum surveillance
goes beyond its
- exhibition rooms and includes the
museum's toilet rooms must destroy their equilibrium. This thought
alone brings
- a blush to their cheeks and the
evil lust of the voyeur to their hearts.
- The viewers learn of these thoughts
from the surveillance screen that is turned towards each one
of them. But they
- wait in vain for someone to enter
the toilet. A few steps further on they notice that the cameras
are primed to t
- ake only two photos of the museum
lavatories. While they try to manage their thoughts and get their
confused feelings
- in order, they are being watched
and appear, visible to others, on yet another screen. They can
change roles; the
- game between watching and being
watched goes on. Every thought that is linked to an emotion produces
a rumor, before
- a new thought emerges. The dispersion
of the rumor can, in part, be channeled. Is it not only the toilets
of the
- city museum that are being surveyed,
but also those of all the other city museums, institutions, offices,
as well a
- s cinemas, restaurants, even universities?
What offence in the toilets are they on the track of?
- Mohné's work takes you out
of the museum and into it again. It is not only an artwork that
is based on another one.
- But the few artworks that tackle
the subject of contemporary surveillance systems aspire to a
quality of
- enlightenment exactly there where
the functionalism of the individual and of his private sphere
on the public
- stage is uncritically tolerated.
Wolfgang Becker
-
-
-
-
- Martina Behrens:
-
- Zu Achim Mohnés Überwachungsarbeiten
»The Artist Is Watching You«
- »Die Kontrolle der Normalität korrespondiert
mit der Normalität der Kontrolle.«
-
So charakterisierte Foucault (1976) die Entwicklung moderner
Gesellschaften. Daß der hierarchische Blick
- im Jahr 2000 keiner politischen oder ethischen Rechtfertigung
mehr bedarf, macht Achim Mohné in allen seinen
- Videoinstallationen erlebbar.
- Besonders die Arbeiten »For your own safety «
zeigen die signifikante Abwesenheit moralischer Entrüstung,
zeigen
- inwieweit Überwachungsprozesse in die Lebenswelt
des Einzelnen integriert sind. Jeden Eingriff in die Privatsphäre
- legitimiert das bitteschön korrekte Verfahren. Hätte
der Mohnésche Toilettenaufkleber orthographische Unregelmäßigkeiten,
- die Empörung wäre groß. So aber ist das
Schreckgespenst der 80-iger Jahre, der Gläserne Mensch,
im Zeitalter von
- Big Brother vor allem eins: Unterhaltungsresource.
- Diese affirmative Komponente transportieren die verschiedenen
Videoperformances quasi beiläufig. Im Gegensatz
- zu weinerlicher Subjektivität, pseudoprovokanter
Genitalienschau oder des geklöppelten Zeigefingers auf verlorene
- Werte dürfen Mohnés Happenings faszinieren,
amüsieren und sogar Spaß machen.
- Jede der gebündelten Beobachtungsketten demonstriert
dabei das Funktionsprinzip sozialer Systeme, die Rekursivität
- ihrer Elemente. Das bedeutet, daß Beobachtungen
(Kommunikationen) sich auf Beobachtungen beziehen und wiederum
- die Basis anschließender Beobachtungen bilden.
Daß dies geschieht und wie, visualisiert der Künstler
typischerweise
- auf der zweiten Ebene, auf der man sich selbst beim Beobachten
beobachten kann. So wird die »soziale Installation«
- durch die Elemente, aus denen sie besteht, selbst gesteuert.
(Luhmann, 1995)
Die perfektionierten Techniken des Sehens allerdings vom
Fernrohr des Nachbarn über die Webcam bis hin
- zur versteckten Miniaturkamera führen Machteffekte
herbei, die nur in der Inszenierung ad hoc von allen
- Anwesenden am eigenen und/oder fremden Körper bemerkt
werden. Die Gefahr, daß es dabei mindestens peinlich
- werden kann, trägt das moderne Individuum mit Fassung.
Was bleibt ihm auch anderes übrig? Es ist alleingelassen
- mit der Notwendigkeit, sich als Individuum auch darstellen
zu müssen. Daher generiert eine von anderen geteilte,
- kollektive Überwachung einen nicht zu unterschätzenden
Ich-Nutzen. Wie die subjektive Indentitätskonstruktion
- nach dem Motto »videor, ergo sum!« stattfinden
kann, zeigen die einzelnen Ausstellungen in unterschiedlichen
- Intensitätsgraden.
- Konzentriert man sich nun stärker auf die Struktur
der sieben Überwachungsaktionen, fällt sofort auf,
daß Achim
- Mohné auch die herkömmliche Rollenverteilung
von Hersteller und Betrachter aufgelöst hat. Die interessierten
- Rezipienten sind jetzt nicht mehr nur teilnehmende Beobachter,
wie es in der aktuellen Kunstszene gerade Mode
- ist, sondern werden zu beobachtenden Teilnehmern, die
nicht länger ausserhalb stehen und zugucken, sondern in
der
- Gesamtheit ihrer kommunikativen Leistungen im Kunstwerk
eingeschlossen sind. Gerade die Kölner Arbeit »Your
- conversation is beeing monitored « nähert
sich beispielhaft Flussers Visionen (1985) von medialer Gegenseitigkeit
- und diskursiver Interaktivität an.
- So wird das Dilemma der modernen Kunst, keine zuverlässigen
Differenzkriterien mehr aufweisen zu können, was
- Kunst ist und was eben nicht, durch Achims Mohnés
konsequent selbstreferentiellen Ansatz aus dem postmodernen
- Sand gewirbelt.
- Marcel Duchamps Pissoir hat jetzt eine Spülung bekommen.
-
-
-
- Achim Mohné's Surveillance
Installations »The Artist Is Watching You«
- »The control of normality
corresponds to the normality of the control.«
This is the way Foucault in 1976 characterized the development
of modern societies. The fact that the hierarchical
- gaze in the year 2000 no longer
needs either political or ethical justification is what, in all
his video
- installations, Achim Mohné
prompts us to experience upfront.
- Especially the works »For
your own safety » show the significant absence of moral
indignation, show how very
far surveillance processes have been integrated into our everyday
world. Each intervention of our private sphere
- legitimizes the take-it-or-leave-it
correct method. If Mohné's toilette stickers had spelling
mistakes, outrage
- would be the reaction. But as it
is, the bugbear of the Eighties a life under glass
is, above all in this Big
- Brother age, one thing: an entertainment
resource.
- These affirmative components drive
the different video performances almost as a matter of course.
In contrast to
- whining subjectivity, a pseudo-provocative
show of genitals or a raised finger pointing to a loss of values,
Mohné's
- happenings should prove fascinating,
amusing and even be plain fun.
- Each of the bundled chains of observation
demonstrate the principle of social systems and how they function,
namely,
- the recursiveness of their elements.
This means that observation (communication) refers back to observations
which,
- in turn, form the basis of subsequent
observation. Thus »social installation« is itself
controlled by the very elements
- of which it is composed. (Luhmann,
1995)
- The perfected techniques of viewing,
however from our neighbor's telescope, by way of webcam,
up to the hidden
- miniature camera lead to
an encroachment of power that in its setup is only noticed ad
hoc by those present on
- one's own person and/or others'
persons. The danger that it can at the very least become embarrassing
is something
- the modern individual accepts with
composure. What else can he do? He is left alone with the necessity
of also
- having to represent himself as
an individual. Which is why collective surveillance shared with
others generates a not-to-be-underestimated self-interest. Just
how the subjective construction of identity can take place according
- to the motto »videor, ergo
sum!« (I am seen, therefore I am) is shown at individual
exhibitions in varying degrees
- of intensity.
- Concentrating more on the structure
of Achim Mohné's seven surveillance actions, what strikes
you immediately is
- that the artist has also suspended
the traditional role allocation of producer and observer. The
interested recipients
- are now no longer only participating
observers, as is the fashion in the current art scene, but have
become observing participants who no longer remain outside and
look, but are included in the artwork in the sum of their communicative
- capability. In particular the work
in Cologne entitled »Your conversation is being monitored
» exemplarily approaches
- Flusser's digital visions (1985)
on medial mutuality and discursive interactivity.
- Thus the dilemma of modern art
that it no longer possesses any differentiating criteria
to show what is art and
- what certainly is not is
being blown out of the postmodern sand by Achim Mohné's
resolute and self-referential approach.
- Marcel Duchamp's urinal has been
outfitted with a flush. Martina Behrens
-
-
-
- Sven Drühl:
- »Mediale Arte Povera« Sven Drühl
im Gespräch mit Achim Mohné
-
-
- Sven Drühl: Was interessiert Sie daran, Leute beim
Beobachten zu beobachten? Zeigt sich darin Ihrer Meinung
- nach etwas Gesellschaftliches?
Achim Mohné: Was für mich daran interessant ist,
ist, dass es durch die Installationen eine Art Rollenverschiebung
- gibt. Die Betrachter werden vom Beobachter zum Beobachteten.
Das, was sie in der Ausstellungssituation sagen,
- ist somit nicht länger privat, sondern wird sozusagen
öffentlich.
-
- S.D.: Haben Sie ein moralisches Anliegen? Wollen Sie
damit etwas offenbaren?
A.M.: Es geht darum, als Betrachter etwas am eigenen Leibe zu
erfahren, denn dann erfährt man es anders.
- Normalerweise spricht man über andere, aber hier
wird über den anderen gesprochen, der man als Betrachter
selbst ist.
- Die Rezipientenmeinung zur Kunst oder zu soziologischen
Vorgängen, initiiert durch die Ausstellung, wird damit
- zum Betrachtungspunkt für Dritte. Das ist das soziologische
Moment. Luhmann formulierte, dass die Gesellschaft
- sich immer mehr zu einer der Beobachtung der Beobachtung
entwickelt. Die Massenmedien sind demnach die Beobachtung
- der ersten Ordnung und der Umgang damit ist die Beobachtung
zweiter Ordnung. Diese weitere Ebene beinhaltet die
- Frage: »Wie werde ich beobachtet im Umgang mit
den Massenmedien?«
-
- S.D.: Aber Ihre Arbeiten werden doch in einem speziellen
Kontext präsentiert, nicht in den Massenmedien. Das beeinflußt
- die Reaktionen, denn es ist doch ein Unterschied, ob
ich in einer Ausstellung stehe oder zu Hause fernsehe, d.h. eigentlich
- geht es hier um eine sehr artifizielle Situation, die
beobachtet wird.
A.M.: Das ist ein wichtiger Aspekt, denn es gibt in jeder Installation
zwei Momente: Der Erste ist der, bei dem der
- Besucher noch nicht weiß, dass er beobachtet wird,
da reagieren die Leute noch relativ normal. Dann entdecken sie,
- dass sie beobachtet werden und fast jeder geht bewußt
nochmal ins Gesichtsfeld der Kamera und spielt dann seine Rolle.
- Das heißt, die Besucher meinen, sich nun exhibitionieren
und positionieren zu müssen. Es wird dann
so eine Art Individualisierung betrieben, und wenn man nur »Bäh«
sagt, einen schlauen Kommentar abgibt oder
»Du Arschloch« ruft. Da gibt es deutlich ablesbare
Veränderungen im Verhalten.
-
- S.D.: Lassen Sie uns noch auf einen ganz anderen Punkt
zu sprechen kommen. Wieso kommt es zu dieser Bearbeitung des
Grundmaterials? Was bei anderen Künstlern das Rüstzeug
ist, um loszulegen und Inhalte zu verhandeln, ist bei Ihnen
- gleichzeitig der Inhalt der künstlerischen Arbeit.
Woher kommt dieses Mißtrauen anderen künstlerischen
Themen gegenüber?
A.M.: Das liegt nicht direkt daran, dass ich den unbedingten
Wunsch habe, die Kunst zu verlassen, sondern daran, dass andere
Themen einfach interessanter sind. Manches habe ich als Material
noch nicht richtig verstanden, begriffen, es erscheint mir
weiterhin befragenswert, deshalb gehe ich vermeintlich zurück
und thematisiere beispielsweise das Videoband, die Schallplatte.
Dinge also, die eigentlich schon vom technischen Fortschritt
in Form von CDs und DVDs überrannt wurden. Im Grunde ist
das wohl eine Generationenfrage. Als ich Kind war, um es mal
überspitzt zu sagen, wurde hauptsächlich noch in Ton
geformt und mit Kohle gezeichnet. Die Körperlichkeit erfuhr
darin eine andere Dimension. Am Haptischen, am Körperlichen
hänge ich sehr. Zum Beispiel für die Installation in
Washington benutzte ich diese selbstgebastelte Apparatur, einen
Minimonitor, der aussah wie ein unbekanntes Insekt. Da steht
etwas zwischen mir und dem elektronischen Bild.
- S.D.: Es gibt eben doch wieder ein Artefakt, das nicht
nur in Binärform codiert vorliegt?
A.M.: Wenn man immer vom Verschwinden des Interface etc. spricht,
dann ist das hier mein Versuch, wieder etwas zu dimensionalisieren,
zu materialisieren. Die Objekte sind eben etwas Besonderes, z.B.
mit diesem kleinen Bild in
- Washington konnte ich den Voyeurismus sehr gut locken.
S.D.: Geht es dabei um Bloßstellung des Voyeurs?
A.M.: Nein, ich möchte nur, dass die Leute etwas für
die Aneignung tun, ein wenig mehr als normal, so dass sie nicht
sagen können, sie hätten da nur zufällig hingeguckt.
Deshalb ist das Gezeigte dann so klein, man muss sich z.B. seine
Lesebrille anziehen oder einen Kopfhörer aufsetzen. Man
ist affiziert. Und damit hat man im Grunde auch schon ein Statement
abgegeben.
- S.D.: Wie sehen Sie überhaupt die Zukunft der Medienkunst?
Meinen Sie, dass diese weiterhin nur Expertenkultur und Festivalbeitrag
bleiben wird oder sehen Sie Überschneidungen mit dem tradierten
Kunstkontext. Schließlich sah man auf der
- Art Cologne 2000 so wenig Medienkunst wie selten. Dass
die Arbeiten wie in Ihrem Fall in Kunstinstitutionen und Galerien
- gezeigt werden, ist doch wohl eher die Ausnahme.
A.M.: Vielleicht liegt es in meinem speziellen Fall daran, dass
ich »mediale Arte Povera« mache, die ökonomisch
im
- traditionellen Kunstkontext funktioniert, weil das Material
nicht so kostspielig ist. Mit den Neuen Medien ist es ja
- auch schwierig, die Geräte sind oft sehr teuer,
so dass die Institutionen und Galerien sich die Anschaffung und
- Unterhaltung nicht leisten können. Andererseits
sind die meisten meiner Arbeiten aber auch sehr ephemer, immateriell
- und lassen sich nicht verkaufen, oft gibt es ja gar keine
veräußerbaren Werke. Es reizt mich derzeit immer mehr,
Werke zu schaffen, die permanent unterhalten werden müssen.
Z.B. »Hase und Igel« braucht alle zwei Stunden eine
neue Kassette, damit
- die Arbeit weiterläuft, auch bei den Filminstallationen
muß ständig jemand dabeisein. Eigentlich werden die
Maschinen immer
- selbständiger, aber ich produziere Gegenstücke,
Installationen, denen sich jemand mit seiner ganzen Aufmerksamkeit
widmen
- muss, um sie am Laufen zu halten. Darin liegt ein Performance-Moment,
besonders bei »Mediarecyling« und »Kellerloch«.
- Die Maschine muss wie ein Kränkelnder die ganze
Zeit gepflegt und gestreichelt werden, sonst bricht sie zusammen.
-
- S.D.: Um auf die Art Cologne und die Medienpräsenz
zurückzukommen. Vielleicht bedarf es eines Umdenkens auf
der Seite
- der Sammler. Werden mehr Video- und Computerarbeiten
gesammelt, dreht sich auch der Markt. Doch zurück zur aktuellen
- Ausstellung. Betrachtet man den Katalog, dann fällt
auf, dass er sehr kleinteilig aufgebaut ist. Kommt darin eine
- bestimmte Haltung, ein Konzept zum Tragen?
A.M.: Das Konzept mit der Lupe, so nenne ich das mal, bedeutet,
dass man sich das erarbeiten muss. Um im Katalog
- jemanden auszuspionieren und zu belauschen, muss man
sich bemühen, bis einem die Augen wehtun. Es geht um die
Idee,
- ein technisches Hilfsmittel zu benutzen, um andere zu
überwachen. Der Katalog heißt Panopticon, übernommen
von dem
- Panopticon, das Foucault in Ȇberwachen und
Strafen« beschreibt. Das meint die architektonische Lösung,
alle Insassen
- eines Gefängnisses gleichzeitig zu überwachen.
Ein Beobachterstandpunkt reicht dann zur Disziplinierung aus.
Derjenige,
- der solchermaßen unter Beobachtung steht und darum
weiß, handelt schon entsprechend. Technisch gesehen begann
die
- Erweiterung des Sehens mit Erfindung der Lupe, des Lesesteins,
dies war der Anfang dessen, was heute die
- Videoüberwachung ist.
- S.D.: Von da an war es auch möglich, in reichhaltig
ausgeschmückten Büchern, kleine subversive Anspielungen
einzuarbeiten, die dann wiederum nur von den Eingeweihten, d.h.
den technisch Versierten gelesen und entschlüssel
- werden konnten.
A.M.: Ein schöner Gedanke und eine Parallele zur Überwachung:
Auch dort sind die Eingeweiten die Wissenden.
-
- Sven Drühl
-
-
-
- »Medial arte povera«
Sven Drühl in conversation with Achim Mohné
-
-
- Sven Drühl: What is interesting
to you about watching people watching? Is it because, in your
opinion,
it turns out to be something social?
Achim Mohné: What is interesting to me is that the installations
cause a kind of shift in roles. The watchers turn from
- watcher to watched. What he says
in the exhibition situation is thus no longer private, but becomes,
so to speak, public.
-
- S.D.: Do you have a moral purpose?
Is there something you want to prove?
A.M.: It's a matter of getting viewers to experience something
for themselves. Normally one talks about others; but here
- the other person who is talked
about is you yourself as viewer. The recipient's opinion on art
or on social processes,
- initiated by the exhibition, thus
becomes a point of observation for third persons. This is the
sociological factor.
- Luhmann once formulated the fact
that society is increasingly developing into the observation
of observation. According
- to this, the mass media are observation
of the first order and the way they are dealt with is observation
of the second
- order. This next level is contained
in the question: in what way am I observed when I deal with the
mass media?
-
- S.D.: But your works are presented
in a very special context, not in a mass medium. This impacts
on our reactions,
- for there is a difference if I
am standing in an exhibition or watching TV at home, i.e., what
is really the issue
- here is a very artificial situation
that is under surveillance.
A.M.: And that is an important aspect, for there are two factors
in every installation. The first is the one whereby
- the visitors don't yet know that
they are being observed; here people still react relatively normally.
Then they
- discover they are being observed
and almost every one consciously re-enters the range of the camera
and plays a role.
- Which means, the visitors think
they have to put on a show and pose. They then exercise a kind
of individualization,
- if only to say »phooey«,
make a clever comment or cry »asshole«. There are
clear, discernible changes in behavior.
-
- S.D.: Let's go on to a quite different
subject. How did it happen that you came to work on the basic
material you use?
- What for other artists belongs
to the equipment they need to get cracking and deal with certain
themes, for you is
- simultaneously your subject matter.
Where does your mistrust of other themes come from?
A.M.: This isn't a direct result of the fact that I quite definitely
want to leave art, but that other themes are
- simply more interesting. Some things
I have myself not quite understood, not quite got a hold on.
They seem to me
- still worth questioning; which
is why I presumably go back and thematize, for instance, the
video tape, the record.
- Things that have already been overrun
by technical progress in the form of CDs and DVDs. It is probably,
at heart,
- a question of one's generation.
When I was a child, to overstate it somewhat, work was formed
mostly in clay or
- drawn in charcoal. The feel for
your body went through a quite different dimension. I very much
like the haptic,
- the corporeal. For example, for
the installation in Washington I used this apparatus that I put
together by hand,
a mini-monitor that looked like an unknown insect. Something
stands there between me and the electronic image.
-
- S.D.: Then there is really an artefact
that is not only available in binary code?
A.M.: Since there is always talk of making the interface disappear,
etc., this then is my attempt to take something
- and dimensionalize it again, to
materialize it. The objects are something very special, e.g.,
with this small