Der Wolf vom Königsforst und das Mädchen

„Der Wolf vom Königsforst und das Mädchen“ 2020 / 21

Als eine Form von „expanded cinema“ kann man die Ver - und Zerlegung des Video(plots) in Mozilla Hubs bezeichnen. Das Video „Der Wolf vom Königsforst und das Mädchen“ stellte bereits eine erweiterte Form der seit 2018 fortlaufenden Werkreihe "3D-Google-Earth-Models“ dar, die mittels eines eigens entwickelten analog-digitalen, photogrammetrischen Verfahrens und einer 3D Software erstellt. Hierfür werden (Bild)Daten von Distributionssystemen, wie Google Earth „entwendet“. Diese im digitalen, virtuellen Raum gezogenen (Bild)Aufnahmen werden als „real Existierendes“ neu definiert und somit zum befremdlichen Wahrnehmungsprozess. Der Fokus dieses Werkkomplexes liegt auf dem Algorithmus der 3D-Visualisierungssysteme und referiert auf unsere Rezeption von Landschaft und Natur im weitesten Sinne innerhalb einer virtuellen Realität und ihrer „ästhetischen Paradoxie“.

 

Enter Room: https://hubs.mozilla.com/XTEFxVb/koenigsforst

Das Video stellt eine Erweiterung der Entfremdung des Mediums selbst dar: Die 3D-Daten von Google Earth im Raum Königsforst werden mit Artefakten ergänzt, um eine Vielzahl virtueller Modellebenen zu erstellen. Analoges, gefundenes Material wie die typologisch geladenen Spielfiguren des vermeintlich heranschleichenden Wolfs und des weinenden Mädchens werden photographisch erfasst und digital zerlegt, um ein digitales 3D-Modell zu generieren.  Das Video lässt sich dem Genre des Found Footage unterordnen. Die Montage verwebt analoges mit digitalem Material setzt dieses neu zusammen, überlagert es. Texte aus Wikipedia, studentsiche Hausarbeiten zu Freud oder alternative Märchen aus dem www sind Basis der Narration. In einer Art Dokufiktion wird Syntax und Semantik umgedeutet, inhaltliche Aspekte sind formal-ästhetischen untergeordnet. Wie ineinander verflochtene Erzählebenen begegnen sich die Blicke des Wolfs und des Mädchens inmitten einer virtuellen Realität, die von einem Drohnenflug über den (Märchen)Wald angesteuert und von apparativen Avatarboten in Form einer dokumentarischen Nachrichtenübermittlung vorausgesagt wird. Avatare, die bereits per definitionem eine Prophezeiung symbolisieren, richten den Blick auf die zentrale Fragestellung, die sich im Gesamtoeuvre Mohnés wiedergespiegelt sieht.

Alain Badiou referiert auf Hegel, wenn er schreibt „Es gibt (…) – und das ist es, was aus der berühmten Geschichte von der Schale und dem Kern ein zweifelhaftes Rätsel macht – zwei dialektische Matrizen.“ (Alain Badiou, „Theorie des Subjekts“, diaphanes, Zürich-Berlin 2014, p. 23). Einheit gebe es nur gespalten (vgl. ebd. p. 24). Realität ist virtuell, ein Faktum ein Märchen, Angst der Weg. Das Unbekannte zunächst zu domestizieren, um es im Anschluss zu neutralisieren, scheitert insofern, als dass es im Kern zu ewig wiederkehrendem, unbekannt Neuem aufkeimt. Das Mädchen sieht sich vom Wolf verschlugen; es folgt der Songtext „Ein Teil von mir ist ein Teil von dir, ein Teil von mir ist ein Teil von dir, ein Teil von mir ist ein Teil von dir“. Die Renaturisierung des Wolfs schlägt an der psychisch-verhafteten Angst unseres Selbst fehl. Die neutralen TV-Nachrichten zerlegen sich in ein kaleidoskopisches Netz aus Märchen – „Spielmaterial zur Bewältigung ur-menschlicher Konflikte, die der unterdrückten Angst, dem Unbewussten, Sprache und Bilder geben“ (in: "Die Affäre Rotkäppchen. Der ungeklärte Grimminalfall im Märchenwald: War der Wolf unschuldig? Hat das Mädchen ihn verführt?", ZEIT ONLINE, Nr. 52/1984). Das Analoge ist zugleich digital, real, fiktional, multilateral.

Text: Sewastia Vassiliadu

Details

The video documents a stroll through Königsforst in Mozilla Hubs. The forest, located near Cologne, is generated as a 3D-modell, based on Google-Earth-Data. The plot beeing given in the Mozilla room is based on a video from 2020 and was created in spring 2021.

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